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12 in 12 - Eisbär: Ein Abschied mit Ablaufdatum

Im zweiten Teil des Projekts widme ich mich dem Eisbären. Es war relativ klar, dass ziemlich schnell ein Bär zum Thema wird (mein Künstlername kommt ja nicht von ungefähr).


Zunächst ein paar Basics zum Eisbär:

Der oft als „größte (und gefährlichste) Landraubtier“ der Welt betitelte Eisbär ist streng genommen eigentlich ein Meerestier.

Gehört aber trotzdem zu der Familie der Bären. Es ist ein bisschen kompliziert.


Der Eisbär lebt in der Arktis - und in zahlreichen Zoos und Hotels und Shoppingmalls (dazu später mehr) - und wird zwischen 1,8 und 2,8 Meter lang und erreicht eine Schulterhöhe von etwa 1,7 Meter.


Er ist grundsätzlich ein Einzelgänger und nur in Paarungszeiten in einem Rudel unterwegs. Die Jungtiere sind aber ca. ab einem Alter von 2 Jahren selbstständig, danach zerfällt das Rudel. Die Lebenserwartung in freier Wildbahn ist bis zu 30 Jahre.

Genug der Basics, kommen wir zum eigentlichen Thema.

Der Eisbär hat das Problem, dass ihn gleich mehrere Dinge töten (wollen).


Starten wir mit dem Klimawandel.

Weltweit gibt es noch zwischen 22.000 bis 31.000 Eisbären. Der größte Teil, bzw. alle in freier Wildbahn lebenden Tiere, lebt rund um den Nordpol. Also in Grönland, Nord Norwegen, Spitzbergen und Co.— und hier kommt auch schon das Problem ins Spiel.

Der Eisbär lebt, wie der Name bereits sagt, auf Eis. Diese Eisdecke auf der er lebt schmilzt Jahr für Jahr. Die langen Winter und das Frühjahr verbringen Eisbären grundsätzlich auf Packeis. Sie brauchen diese Eisdecke für die Jagd nach Robben.


Durch die schmelzenden Eisdecken verändert sich jedoch das Ökosystem der Arktis zusehends und auch der Eisbär ist davon stark betroffen. Und noch viel schlimmer: Es verändert sich so schnell, dass sich der Eisbär nicht mehr an seine neue Umgebung anpassen kann.

Die Folge davon, ist mangelnde Ernährung und daraus resultierende Anfälligkeit für Krankheiten. Zudem können auch die Jungtiere nicht mehr ausreichend mit Futter versorgt werden. Die Überlebenschance der Jungtiere sinkt - viele sterben. Dadurch wird der Bestand immer geringer.


The worst is yet to come


Schlimm genug, dass es dem Eisbären schon jetzt in seinem natürlichen Umfeld kaum noch möglich ist zu leben. Es wird noch schlimmer.


Eine vom WWF mitfinanzierte Studie hat herausgefunden, dass das Meereis in den nächsten Jahrzehnten weiter drastisch zurückgehen wird. Der Lebensraum wird immer kleiner und schon 2035 soll das besagte Eis im Sommer komplett schmelzen. Und im Winter soll das Eis bei weitem nicht mehr in der Größe entstehen können. Wenige Tierarten auf diesem Planeten haben ein so konkretes „Todesdatum“. Forscher gehen davon aus, dass der Eisbär, bei gleichbleibender Entwicklung, bis zum Ende des Jahrhunderts ausgestorben sein wird.


Normalerweise würde ich jetzt an dieser Stelle schreiben, was wir dagegen tun können. Doch das Problem ist wohl hinlänglich bekannt. Wer sich trotzdem weiter informieren will, dem empfehle ich die Klima-Berichterstattung des Kurier. Dort und natürlich auch auf vielen anderen Plattformen findet ihr genügend Tipps, was ihr gegen den Klimawandel tun könnt.

Back to topic:

Man könnte jetzt meinen, dass es den Eisbären in freier Wildbahn so beschissen geht und man sie deswegen in Zoos und anderen Örtlichkeiten einsperren muss. Man sichert damit ja ihr Überleben.

Kurz gesagt: Nö.

Länger gesagt: Nö und schon gar nicht so, wie wir das tun.

Ich starte den Part über die Gefangenschaft mal mit den beiden grausigsten Grauslichkeiten, die sich die Spezies Mensch vermutlich je ausgedacht hat, um ein Tier zu quälen.

Bevor mir jetzt jemand Rassismus andichten möchte, spart es euch. Das ist jetzt keine Frage der Herkunft. Jedoch spielen sich beide Grausigkeiten im asiatischen Raum ab. Und wie ihr im Lauf des Jahres feststellen werdet, sind leider genau dort die Themen Tierschutz, Tierrechte usw. nicht unbedingt vorrangig. Das ist aber eher ein Strukturproblem, keine Frage der Ethnie.


Wohnen mit dem Eisbär


Die erste Grausigkeit ist die, meiner Meinung nach, etwas weniger schlimme. Wobei ich glaube, dass das jeder anders empfindet.


Konkret geht es um ein Hotel in China. Das „Polar Bear Hotel“ wirbt damit, dass man von seinem Hotelzimmer aus, rund um die Uhr, den Eisbären zusehen kann.

Das Hotel gehört zum „Harbin Polarland“-Aquarium und beheimatet aktuell (Stand Februar 2022) zwei Eisbären in diesem Hotel.

Dabei müssen die beiden nicht nur in einem sehr kleinen Gehege leben, welches von Fenstern umringt ist, sondern sie haben dort auch nur künstliche Felsen, Kunsteis sowie zwei kleine Wasserbecken.

Zur Beschäftigung gibt es Plastikspielzeug. Laut dem Hotel soll es auch einen Außenbereich geben, in den sie aber nur bei bestimmten Temperaturen gelassen werden.


Wie wir vorher gelernt haben, sind Eisbären natürliche Einzelgänger. Zwei Eisbären im gleichen Gehege zu halten ist also schon fatal. Dann aber auch noch auf so engem Raum, gleicht Tierquälerei.


„Traurigster Eisbär“ der Welt


Unter dem Titel „der traurigste Eisbär der Welt“ hat Eisbär Pizza im Jahr 2016 für Schlagzeilen gesorgt. Und diese Geschichte ist an Grausamkeit kaum zu überbieten.

Der ausgewachsene männliche Bär lebte in einem unfassbar kleinen Gehege in einem Shopping Center in der chinesischen Stadt Guangzhou. Sein kleines Gehege wurde von künstlichem blauen Licht geflutet und es gab für Pizza keinen Rückzugsort.


Nachdem sich 850.000 Menschen in einer Petition gegen diese Art der Tierhaltung eingesetzt haben, wurde Pizza zurück in seinen Heimatzoo gebracht. Nach vollen 10 Monaten in diesem Gehege.


Zugegeben, das sind zwei krasse Beispiele für Eisbären in Gefangenschaft. Aber sie passieren. Und wenngleich Eisbären in Europäischen Zoos unter besseren Bedingungen leben, so ist es dennoch weiterhin nicht artgerecht. Artgerechte Haltung wäre in freier Wildbahn. Auf Packeis, Robben jagend und vor allem: Alleine.


Bevor wir zur Haltung in Gefangenschaft in den Zoos kommen, muss man hinterfragen, wer überhaupt die „Erlaubnis“ dafür gab, diesen Eisbär in dieses Gehege zu stecken. Nämlich das örtliche Aquarium, in welchem Pizza lebte und auch immer noch lebt.


Er lebt dort noch immer, weil der Betreiber des Aquariums ein Angebot des Yorkshire Wildlife Parks ablehnte. Dieser Zoo in England arbeitet nach eigenen Angaben mit Tierschützern zusammen und betreibe ein eigenes Schutz- und Forschungszentrum für Eisbären. Pizza und seine vier Artgenossen hätten dort zehn Hektar Land und zwei Seen zur Verfügung gehabt.


Sie würden noch immer in Gefangenschaft leben. Aber besser als dort, wo Pizza und die anderen Bären jetzt leben. Und auch besser als in einem klassischen Zoo.


Womit wir zu den herkömmlichen Zoos kommen. Einen Eisbär zu haben ist für Zoos oft eine Prestigesache. Der Eisbär verkauft sich gut und wenn es Jungtiere gibt, überwiegt natürlich der Cuteness-Faktor.

Zugegeben. Die kleine Finja, die vor zwei Jahren im Tiergarten Schönbrunn das Licht der Welt erblickt hat, ist auch wirklich sehr süß.

Aber sie ist ein Eisbär. Und damit auch potenziell gefährlich. Wir sollten uns also nicht in dem Gedanken verfangen, weil ein Tier als Junges süß aussieht, dass es okay ist, dass es in einem Zoo lebt.


Denn was passiert, ist, dass Eisbären, die in Gefangenschaft auf die Welt kommen die wichtigen Fähigkeiten der Jagd nie erlernen. An eine Auswilderung kann man also nicht eine Sekunde denken. Ist auch gar nicht der Sinn der Sache. Und daraus machen Zoos auch kein Geheimnis.


Ich habe bereits in der ersten Ausgabe über Löwen den Vergleich der „artgerechten Haltung“ gebracht. Kurz noch einmal zusammengefasst: 400m2 steht ihnen rechtlich zu, ihr Lebensraum in der freien Wildbahn ist durchschnittlich 20.000 bis 250.000 Quadratkilometer groß. In Schönbrunn stehen ihnen immerhin 1.700 m2 zur Verfügung. Und 450 m2 Wasserfläche.


Stereotypien bei Eisbären


Am Ende des Tages bleiben den Bären aber natürliche Verhaltensweisen verwehrt. Eisbären bewegen sich im Schnitt rund 30 Kilometer pro Tag. Die Folge ist stereotypisches Verhalten:


„Stereotypien sind definiert als wiederholte, unveränderte Muster von Verhaltenselementen ohne erkennbares Ziel, die über beachtliche Zeiträume pro Tag ausgeübt werden. Sie treten bei verschiedenen Spezies von Zootieren auf und werden den Verhaltensstörungen zugeordnet“


Das schreibt die Biologin Urlike Stephan in ihrer Dissertation.


In einer weiteren Studie zum Leben von Tieren in Gefangenschaft kommen die Autoren Ronald R. Swaisgood und David J. Shepherdson zu folgendem Schluss: „Stereotypien bei in Gefangenschaft gehaltenen Tieren sind ein Symptom für schlechtes Wohlergehen und Wohlbefinden und weisen darauf hin, dass die Tiere psychisch leiden.“


Und gerade Bären gehören, neben Menschenaffen, zu jenen Tiergruppen, die in Gefangenschaft am häufigsten Verhaltensstörungen zeigen. Klassische Symptome sind das Hin- und Herlaufen sowie das Auf- und Abschwingen und Drehen des Kopfes. Achtet das nächste Mal darauf, wenn ihr einen Eisbären im Zoo beobachtet.


2008 untersuchte die Tierschutzorganisation PETA Deutschland den Zustand von 34 Eisbären in deutschen Zoos. Bei 24 Bären konnten solche Stereotypien beobachtet werden.

Was bleibt ist wieder einmal der Appell, dass ihr beim Besuch eines Zoos darüber nachdenkt, was ihr da besucht. Und vor allem beobachtet die Tiere und wie sie sich verhalten. Euch wird auffallen, dass sich selten ein Tier wirklich natürlich verhält.


Bleibt neugierig


Kevin




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