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#imKäfig: Zuerst schießen…

Stellt euch mal folgende Situation vor:


Ihr wohnt in einer kleinen Wohnung. Ihr habt einen durchschnittlich bezahlten Job, den ihr zu 100% im Homeoffice machen könnt (nein, das wird kein Bericht aus dem Covid-Homeoffice).

Eure Einkäufe bekommt ihr vor die Haustür geliefert. Freunde habt ihr keine. Eure kleine Wohnung verlasst ihr somit selten bis gar nicht. Maximal vielleicht mal raus auf den kleinen Balkon, um frische Luft zu schnappen.

Soweit so gut.

Jetzt stellt euch vor, euer Hausmeister versucht in eure Wohnung einzubrechen. Ihr bemerkt das und habt gerade leider ncht zur Hand um ihn zu stoppen und beißt ihn in den Arm. Er ist schwer verletzt.

Der Hausmeister ruft die Polizei. Sie kommt und erschießt euch. Ohne Vorwarnung, ohne Gerichtsverfahren, ohne Recht auf irgendetwas. Ende der Geschichte.


Zugegeben… die Geschichte ist ein bisschen zugespitzt und hat einige Unterschiede zur tatsächlichen Situation. Zum Beispiel: In der Vorstellung wohnt ihr freiwillig in dieser Wohnung.


Es gibt auch noch ein paar andere Unterschiede, die euch im Lauf der folgenden Zeilen klar werden. Den Sachverhalt ändert es nicht. Der Hausmeister hat Scheiße gebaut. Ihr seid tot.


Der Vorfall


Im Bundesstaat Florida wurde am 29. Dezember ein Malaysia-Tiger erschossen, der eine Reinigungskraft gebissen hatte. Der Mann sollte eigentlich, nach der Schließung des Zoos in der Stadt Naples, die Toiletten und Souvenir-Shops reinigen. Er soll danach eine Absperrung übertreten haben und wollte in dem, für ihn nicht zugelassenen Bereich, wohl den Tiger streicheln. Der Mann steckte seinen Arm in den Käfig. Besagter achtjähriger Malaysia-Tiger namens „Eko“ hat sich durch diese Aktion offenbar gestört oder bedroht gefühlt und biss zu.


Ok. Er hat sich in dem Arm des Mannes festgebissen. Irgendwie schaffte es die Reinigungskraft die Polizei zu rufen. Der eingetroffene Hilfssheriff (nein, das ist keine Beleidigung, sondern sein offizieller Titel) habe nach eigenen Angaben versucht den Mann von dem Tiger loszubekommen. Nachdem diese Versuche vergeblich waren, hat er auf ihn geschossen. Der Tiger ließ von dem Mann ab und starb. Die Reinigungskraft im Alter zwischen 20 und 30 Jahren wurde ins Krankenhaus gebracht.


Nach dieser Geschichte bleiben in meinem Kopf ein ganzer Haufen an Fragen übrig.


Das ist kein Malaysia-Tiger, sondern ein sibirischer Tiger im Zoo Schönbrunn


Erstens: Wie war es möglich, dass eine Reinigungskraft überhaupt in so einen sensiblen Bereich vordringt. Nun gut. Wer Zoos kennt, weiß, dass für die Besucher oft schon die „Gefährlichkeit“ des Tieres ausreicht und somit die Bereiche vor dem Gehege nicht sonderlich gut gesichert sind.


Zweitens: Der Polizist habe nach eigenen Angaben versucht, den Mann loszubekommen. Jetzt unterstelle ich dem Hilfssheriff mal nicht, dass er wie viele andere Amerikaner einen lockeren Abzugsfinger hat. Er hat es vielleicht wirklich versucht. Aber in keinem einzigen der Berichte die ich gelesen habe, war von einem Warnschuss die Rede. Wäre es nicht für den ersten Schussversuch logisch, einen Warnschuss abzugeben? Der Tiger erschreckt sich, lässt ab und man kann dem Mann helfen.

Ich bezweifle stark, dass das passiert ist. Das hätte die Polizei mitgeteilt, um zu zeigen, dass man alles versucht habe. Tatsächlich war gleich der erste Schuss auf den Tiger gerichtet. Warum? Weil Tiere dem Menschen egal sind. Sollen Sie doch sterben.


„Eko“ war sein gesamtes Leben in ein einem Gehege eingesperrt und fristet dort sein Dasein. Und dann kommt noch irgendein Vollidiot um die Ecke und versucht ihn zu streicheln. Ich sage selbst oft: „Auch Tiger (oder Löwen) sind nur Katzen“ - nämlich dann, wenn ich typisches katzenartiges Verhalten an ihnen beobachte. Aber nicht, weil ich mir ihrer Gefahr nicht bewusst bin. Sie sind eben keine Hauskatzen.


Am Ende des Tages bleiben Fehlentscheidungen und Fehlverhalten übrig. Von dem gebissenen Mann, vom Polizisten und auch vom Zoo selbst. Vom Tiger allerdings? Nope… Als Jäger folgte er seinem Instinkt. Wenn wir Menschen als „höhere Lebewesen“ sehen wollen, dann sollten wir uns auch so verhalten. Hand auf die heiße Herdplatte ist bekanntlich auch nicht die klügste Idee.


Vielleicht sollte man einmal grundsätzlich darüber nachdenken, welche Wertigkeit der Mensch einem Tier in 9,9 von 10 Fällen entgegenbringt.


Kleiner “Fun“fact, der die ganze Geschichte noch um einiges trauriger macht. Der nun getötete „Eko“ gehört zur Rasse der Malaysia-Tiger. Von ihnen gibt es geschätzt noch etwa 250 bis 300 Tiere - weltweit. Er lebte vermeintlich in diesem Zoo, um diese Art vor dem Aussterben zu schützen. Das hat zumindest in diesem Fall ganz klar nicht funktioniert.

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